Long COVID: Eine komplexe Herausforderung für Körper und Geist, Teil 4

Long COVID ist eine vielschichtige chronische Erkrankung, die tiefgreifende Auswirkungen auf das Nervensystem, das Immunsystem und den Zellstoffwechsel hat. Betroffene erleben oft nicht nur körperliche Beschwerden, sondern auch das Gefühl, mit ihrem Leiden allein gelassen zu werden. Häufig fehlt es im medizinischen Bereich an fundiertem Wissen über die Zusammenhänge dieser Systeme, wodurch die Diagnosestellung und Behandlung erschwert werden. Parallelen zum Chronischen Erschöpfungssyndrom (CFS/ME) und anderen postviralen Syndromen sind offensichtlich.

Doch die Forschung zeigt, dass es spezifische Therapieansätze gibt, die gezielt an den Ursachen von Long COVID ansetzen. In der Praxis in Dortmund wenden wir bewährte Methoden an, um Betroffenen auf ihrem Weg zur Genesung zu helfen.

Übersicht

  • Sirtuine?

  • Nikotin als Therapie

  • Sport als Therapie

Mitochondrien, Kalorienrestriktion und die ketogene Diät – Sirtuine als Schlüssel zur Long COVID-Erholung?

Eine gestörte Mitochondrienfunktion steht nicht nur mit Long COVID, sondern auch mit zahlreichen Stoffwechselerkrankungen in Verbindung. Kalorienrestriktion und die ketogene Diät sind vielversprechende Strategien, um die Mitochondrien zu regenerieren und den Energiestoffwechsel zu optimieren.

  1. Kalorienrestriktion und Ketose für die Mitochondriengesundheit
    Beide Ansätze stimulieren die Autophagie, fördern die Zellreinigung und verbessern die Energieproduktion. Durch die Umstellung des Körpers auf Fett als primäre Energiequelle kann die ketogene Diät oxidativen Stress reduzieren und den mitochondrialen Stoffwechsel stabilisieren – ein potenzieller Ansatz zur Bekämpfung von Long COVID.

  2. Sirtuine als Stoffwechselregulatoren
    Sirtuine sind Enzyme, die durch Kalorienrestriktion aktiviert werden und eine entscheidende Rolle in der Regulation der Mitochondrien spielen. Sirt1, das wichtigste Enzym dieser Gruppe, beeinflusst den Energiestoffwechsel und die Zellregeneration positiv. Seine Aktivierung könnte helfen, die durch Long COVID verursachte mitochondriale Dysfunktion zu verringern.

  3. NAD+ als zentrale Unterstützung für das Immunsystem
    SARS-CoV-2 kann die NAD+-Produktion hemmen, was die Mitochondrien schwächt und Entzündungsprozesse fördert. NAD+-Vorstufen wie Nicotinamidmononukleotid (NMN) und Nicotinamidribosid (NR) haben sich als vielversprechend erwiesen, um die Energieproduktion zu verbessern und antivirale Eigenschaften zu entfalten.

Vagusnerv-Therapie: Ein ganzheitlicher Ansatz gegen Long COVID

Die Dysfunktion des Vagusnervs spielt eine Schlüsselrolle bei Long COVID, da sie zahlreiche Symptome wie chronische Fatigue, Kreislaufprobleme und Verdauungsstörungen erklären kann.

  • Entgiftung des Spike-Proteins, das nachweislich den Vagusnerv beeinträchtigen kann. Typischerweise nutzen wir hier neben einer gezielten Enzymtherapie auch Infusionen mit hochdosiertem Vitamin C und Glutathion.

  • Reduktion der Entzündung im Hirnstamm, um die autonome Regulation zu verbessern.

  • Gezielte Vagusnervstimulation, um das parasympathische Nervensystem zu stärken. In der Praxis erreichen wir das beispielsweise über Infusionen, Oxyvenierung oder IHHT-Therapie.

Durch diese ganzheitliche Kombination aus mitochondrialer Regeneration, metabolischer Flexibilisierung und Vagusnerv-Therapie kann Long COVID gezielt entgegengewirkt werden.

Nikotin und Long COVID: Eine potenzielle therapeutische Option?

Erste Hinweise deuten darauf hin, dass Nikotin Long COVID-Symptome lindern könnte. Eine kleine Fallserie zeigte, dass der Einsatz von Nikotinpflastern innerhalb weniger Tage zu einer deutlichen Reduktion von Erschöpfung, Atemnot und Herzklopfen führte. Besonders bemerkenswert war die rasche Verbesserung der Fatigue sowie eine schrittweise Wiederherstellung des Geschmacks- und Geruchssinns innerhalb von zwei Wochen.

Die „Nikotinhypothese“: Schutzmechanismus gegen SARS-CoV-2?

Ein Forscherteam (Changeux et al., 2020) schlug vor, dass SARS-CoV-2 nicht nur über ACE2-Rezeptoren, sondern auch über nikotinische Acetylcholinrezeptoren (nAChRs) in den Körper eindringen könnte. Diese Konkurrenz zwischen Viren und Acetylcholin um nAChR-Bindungen könnte eine primäre neurologische Infektion und neuroinflammatorische Symptome von Long COVID begünstigen.

Epidemiologische Hinweise auf einen schützenden Effekt von Nikotin

Eine große Kohortenstudie mit 8,28 Millionen Teilnehmern (Cox et al., 2020) zeigte, dass Raucher ein geringeres Risiko für eine COVID-19-Infektion und für einen schweren Krankheitsverlauf hatten. Ähnliche Studien deuteten darauf hin, dass Nikotin möglicherweise eine Interaktion mit der Rezeptorbindungsdomäne des Spike-Proteins von SARS-CoV-2 eingeht und so dessen Wirkung beeinflussen könnte.

Nikotin als potenzielle Therapie für Long COVID?

Aufgrund dieser Erkenntnisse wird eine therapeutische Anwendung von Nikotin zur Behandlung von akuten und postviralen COVID-19-Symptomen diskutiert. Theoretisch könnte Nikotin durch Stimulation der nAChRs eine entzündungshemmende Wirkung entfalten und neuroinflammatorische Prozesse regulieren. Dennoch sind weitere klinische Studien erforderlich, um den tatsächlichen Nutzen und potenzielle Nebenwirkungen einer Nikotinsupplementierung bei Long COVID zu bewerten.

Körperliche Aktivität als Medizin: Bewegung gegen Long COVID

Regelmäßige körperliche Aktivität verbessert nicht nur die mitochondriale Fitness, sondern kann auch das Risiko schwerer COVID-19-Verläufe reduzieren. Bewegung steigert die Mitochondrienfunktion, fördert über Myokine entzündungshemmende Prozesse und stärkt die antioxidative Kapazität des Körpers. Besonders bei Long COVID, das oft mit chronischer Entzündung und Energiemangel einhergeht, kann gezieltes Training helfen, den Körper wieder in ein metabolisches Gleichgewicht zu bringen.

Hormetischer Effekt von Bewegung

Bewegung wirkt nach dem Prinzip der Hormese: Moderate Belastungen führen zu positiven Anpassungen im Körper, indem sie oxidativen Stress induzieren, der wiederum die Mitochondrien stärkt und Entzündungen reguliert. Patienten mit Long COVID sollten mit niedriger Intensität starten – ideal sind leichtes Ausdauertraining, moderates Krafttraining und Atemübungen. Zur Überwachung des Fortschritts können biochemische Marker, VO₂ max und Gehgeschwindigkeit genutzt werden.

Von Training als Therapie zur “Pille für Sport”

Die Forschung arbeitet daran, die positiven Effekte von Bewegung biochemisch nachzuahmen. Substanzen wie Metformin, Epicatechin, Resveratrol und AICAR zeigen vielversprechende Ergebnisse bei der Modulation des AMPK-SIRT1-PGC1α-Signalwegs, der für die mitochondriale Energieproduktion entscheidend ist. Während Medikamente möglicherweise unterstützend wirken können, bleibt körperliche Aktivität die effektivste und natürlichste Form der Therapie, um Long COVID-Patienten langfristig zu helfen.

Mitochondriale Gesundheit als Schlüssel zur Long COVID-Erholung

Die mitochondriale Gesundheit spielt eine zentrale Rolle bei der Resistenz gegen COVID-19 und der Entwicklung von Long COVID. Eine suboptimale Mitochondrienfunktion kann chronische Entzündungen begünstigen und zu einem anhaltenden metabolischen Ungleichgewicht führen, das die Regeneration erschwert.

Die gezielte Verbesserung der mitochondrialen Kapazität durch ernährungsphysiologische Maßnahmen, Kalorienrestriktion, ketogene Diät, gezielte Bewegungstherapie und antioxidative Unterstützung könnte helfen, den Stoffwechsel zu stabilisieren und Long COVID-Symptome zu lindern.

Eine frühzeitige Diagnostik der mitochondrialen Funktion sowie eine individuell angepasste Therapie sind essenziell, um den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen. Long COVID kann nicht mit einer Einheitslösung behandelt werden – ein personalisierter, ganzheitlicher Ansatz, der Ernährung, Bewegung, Mikronährstofftherapie und Nervensystemregulation kombiniert, könnte den Schlüssel zur Erholung darstellen.

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Long COVID: Eine komplexe Herausforderung für Körper und Geist, Teil 3