Long COVID: Eine komplexe Herausforderung für Körper und Geist, Teil 3
Long COVID ist eine vielschichtige chronische Erkrankung, die tiefgreifende Auswirkungen auf das Nervensystem, das Immunsystem und den Zellstoffwechsel hat. Betroffene erleben oft nicht nur körperliche Beschwerden, sondern auch das Gefühl, mit ihrem Leiden allein gelassen zu werden. Häufig fehlt es im medizinischen Bereich an fundiertem Wissen über die Zusammenhänge dieser Systeme, wodurch die Diagnosestellung und Behandlung erschwert werden. Parallelen zum Chronischen Erschöpfungssyndrom (CFS/ME) und anderen postviralen Syndromen sind offensichtlich.
Doch die Forschung zeigt, dass es spezifische Therapieansätze gibt, die gezielt an den Ursachen von Long COVID ansetzen. In der Praxis in Dortmund wenden wir bewährte Methoden an, um Betroffenen auf ihrem Weg zur Genesung zu helfen.
Übersicht
Die Rolle des Mikrobioms bei LC und ME/CFS
Wiederherstellung der metabolischen Flexibilität
Die Rolle der Darmmikrobiota in der Therapie von Long COVID und ME/CFS
Angesichts der erkannten Dysbiose und des Mangels an Butyrat-produzierenden Bakterien bei Long COVID und ME/CFS könnte die gezielte Wiederherstellung der Darmflora ein vielversprechender Therapieansatz sein. Probiotische Interventionen, die auf die Förderung von Faecalibacterium prausnitzii, Eubacterium rectale und anderen Butyrat-produzierenden Mikroben abzielen, könnten helfen, die Darmbarriere zu stärken, Entzündungen zu reduzieren und das Immunsystem positiv zu beeinflussen. Neben der Gabe spezifischer Probiotika könnten auch ballaststoffreiche Ernährung, resistente Stärke und präbiotische Substanzen wie Inulin und Oligofruktose das Wachstum dieser schützenden Bakterien unterstützen.
Da eine anhaltende Dysbiose auch mit einer verstärkten Produktion entzündungsfördernder Metaboliten und einer Beeinträchtigung des Energiestoffwechsels in Verbindung gebracht wird, könnten fäkale Mikrobiota-Transplantationen (FMT) in Zukunft ein weiterer Ansatz sein, um die bakterielle Vielfalt wiederherzustellen. Polyphenole aus Lebensmitteln wie Beeren, grünem Tee und Kurkuma haben sich ebenfalls als vorteilhaft für die Darmgesundheit und die Mikrobiota-Stabilisierung erwiesen.
Diese Erkenntnisse unterstreichen, dass eine gezielte Unterstützung der Darmmikrobiota nicht nur für die Verdauung, sondern auch für die Immunregulation, Entzündungshemmung und sogar die kognitive Gesundheit bei Long COVID und ME/CFS von entscheidender Bedeutung sein könnte.
Darmbarriere, Vagusnerv und ihre Rolle bei Long COVID
Die Darmbarriere spielt eine entscheidende Rolle im Immunsystem, doch bei Long COVID kann ihre Integrität gestört sein. Dies ermöglicht die mikrobielle Translokation, bei der bakterielle Bestandteile wie Lipopolysaccharide (LPS) in den Blutkreislauf gelangen und systemische Entzündungen auslösen. Studien zeigen, dass diese Mechanismen möglicherweise zu kognitiven Beeinträchtigungen und neuroinflammatorischen Prozessen beitragen.
Besonders besorgniserregend ist, dass SARS-CoV-2 den Vagusnerv direkt infizieren kann. Forscher fanden Virus-RNA und eine starke Entzündungsreaktion in den Vagusnerven von verstorbenen COVID-19-Patienten. Dies kann zu autonomen Dysfunktionen führen, die eine Vielzahl von Symptomen wie Herz-Kreislauf-Probleme, Atemstörungen, Verdauungsbeschwerden und Fatigue erklären.
Ein vielversprechender therapeutischer Ansatz zur Wiederherstellung der Darmbarriere und zur Reduktion von Entzündungen ist die transkutane Vagusnervstimulation (taVNS). Diese nicht-invasive Methode kann das autonome Nervensystem regulieren, die Acetylcholin-Freisetzung fördern und entzündungshemmende Prozesse aktivieren. Zusätzlich könnten probiotische Therapien, Ballaststoffe und entzündungshemmende Nährstoffe wie Omega-3-Fettsäuren, Polyphenole und Glutamin zur Stabilisierung der Darmbarriere beitragen und so die systemische Entzündungsreaktion bei Long COVID mildern.
Häufig setzen wir zu Beginn jedoch auf Infusionen mit Cholin. Cholin ist die Vorläufersubstanz von Acetylcholin und in der “typischen” Ernährung deutlich unterrepräsentiert. Sehr viel Cholin findet sich z.B in Eiern. Idealerweise werden in den ersten 3 Wochen der Therapie 6-8 Infusionen verabreicht.
Nährstoffdefizite und Long COVID: Die unterschätzte Rolle essentieller Mikronährstoffe
Studien zeigen, dass Vitamin B12, Zink, Selen, Vitamin D, Eisen und Magnesium eine zentrale Rolle für das Immunsystem spielen und sowohl das Risiko einer COVID-19-Infektion als auch den Krankheitsverlauf beeinflussen können. Ein Mangel an diesen Nährstoffen kann die Immunabwehr schwächen, Entzündungen verstärken und das Risiko für schwerwiegende Langzeitfolgen, einschließlich Long COVID, erhöhen.
Zink und Selen: Schlüssel für Immunabwehr und Regeneration
Zink ist essenziell für die Immunfunktion, die Bekämpfung von Entzündungen und die Bildung von Antikörpern. Ein Defizit kann die Immunantwort beeinträchtigen und die Virusabwehr schwächen. Ähnlich wirkt Selen, das für die DNA-Synthese und die Immunzell-Proliferation notwendig ist. Beide Spurenelemente sind daher entscheidend für die Erholung nach einer Infektion.
Long COVID und anhaltende Nährstoffmängel
Menschen mit Long COVID weisen häufiger Mikronährstoffdefizite auf, die zu Symptomen wie chronischer Erschöpfung, Atemproblemen und kognitiven Einschränkungen beitragen können. Eine gezielte Substitution von Zink, Selen und anderen essenziellen Nährstoffen könnte daher eine therapeutische Möglichkeit sein, um Long COVID-Symptome zu lindern und die Regeneration zu fördern.
Zinkmangel und Geruchsverlust durch COVID-19
Zink spielt auch eine zentrale Rolle bei der Geruchswahrnehmung. Während einer SARS-CoV-2-Infektion kann es zu einer lokalen Zinkverarmung im Nasen-Rachenraum kommen, wodurch Enzyme wie β-Glucuronidase und UGT ihre Funktion nicht optimal erfüllen können – ein möglicher Mechanismus für den durch COVID-19 verursachten Geruchs- und Geschmacksverlust. Eine gezielte Zinksupplementierung könnte helfen, diese Symptome zu verkürzen und die Regeneration der Riechzellen zu unterstützen.
Metabolische Flexibilität: Schlüssel zur Immunfunktion und Long COVID-Resilienz
Metabolische Flexibilität beschreibt die Fähigkeit des Körpers, je nach Bedarf effizient zwischen Kohlenhydraten und Fetten als Energiequellen zu wechseln. Diese Anpassungsfähigkeit ist entscheidend für eine optimale Energieproduktion, Immunfunktion und Entzündungsregulation. Ein Lebensstil, der die Mitochondrien nicht ausreichend stimuliert – geprägt von Bewegungsmangel, nicht-artgerechter Ernährung und unregelmäßigem Schlaf – kann die metabolische Flexibilität beeinträchtigen und das Immunsystem schwächen.
Studien zeigen, dass Long COVID-Patienten eine signifikant reduzierte metabolische Flexibilität aufweisen, oft begleitet von Insulinresistenz und Hyperinsulinämie, was sich in einem gestörten Glukosestoffwechsel widerspiegelt. Eine schlechte metabolische Anpassung kann chronische Entzündungen verstärken und zur Viruspersistenz beitragen, wodurch die Erholung verzögert wird.
Zur Verbesserung der metabolischen Flexibilität und zur Unterstützung des Immunsystems können kohlenhydratarme Ernährung, intermittierendes Fasten, Krafttraining und gezielte Nährstofftherapie entscheidend beitragen. Diese Maßnahmen optimieren die mitochondriale Funktion, reduzieren Entzündungen und stärken die körperliche Resilienz gegen Infektionen – ein wichtiger Schritt, um Long COVID-Symptomen langfristig entgegenzuwirken.
Restaurierung der metabolischen Flexibilität – Ein hormetischer Ansatz?
Die Hormese-Theorie besagt, dass gezielter, milder Stress den Körper anregt, widerstandsfähiger zu werden. Long COVID könnte als chronisch entgleister, metabolisch unausgeglichener Zustand betrachtet werden, der durch das Virus ausgelöst wurde und ohne gezielte Reize nicht abklingt. Durch gezielte hormetische Interventionen – sei es durch Bewegung, Kalorienrestriktion, elektromagnetische oder lichtbasierte Modulation des Stoffwechsels – kann die Regeneration der Mitochondrien und die Wiederherstellung der metabolischen Flexibilität gefördert werden.
Aktuelle Studien testen bereits verschiedenste Ansätze, darunter hyperbare Sauerstofftherapie, Radiofrequenztherapie, Kortikosteroide, Statine, entzündungshemmende Biologika, Vitamin C, Nicotinamid, Coenzym Q10, Melatonin und Polyphenole. Zudem zeigt sich Oxalacetat als vielversprechendes Mittel zur Reduktion von Fatigue bei ME/CFS und Long COVID. Auch Endocannabinoide aufgrund ihrer entzündungshemmenden Eigenschaften stehen im Fokus der Forschung.
Ein ganzheitlicher hormetischer Ansatz, wurde bisher noch nicht spezifisch für Long COVID untersucht, könnte jedoch eine vielversprechende therapeutische Richtung darstellen. Es wurde festgestellt, dass ein Mangel an hormetischen Reizen Entzündungen verstärken und metabolische Dysfunktionen verschärfen kann. Beispielsweise kann eine übermäßige Aktivierung des NLRP3-Inflammasoms – einem zentralen Regulator der Immunantwort – Entzündungsprozesse antreiben, insbesondere bei bereits bestehenden Stoffwechselerkrankungen.
Da NLRP3 in Blutplättchen enthalten ist, könnte seine Aktivierung durch Viren wie SARS-CoV-2 zur gestörten Blutgerinnung und Thrombozytopenie beitragen. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass metabolisches Syndrom mit einem schwereren Verlauf von COVID-19 korreliert. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, gezielte metabolische Reize als therapeutische Strategie zu nutzen, um Long COVID-Patienten aus dem Zustand chronischer Erschöpfung und Entzündung herauszuführen.